Soziale Dreigliederung Kurzbeschreibung

Versuch einer essenziellen Zusammenfassung einer
Dreigliederung des Sozialen Organismus in Kürze:

 

SOZIALE DREIGLIEDERUNG: Was hat mehr Gestaltungskraft?
Mehrheitsverhältnisse oder Bewußtseinsverhältnisse?

Den menschenverachtenden Zuständen, dem industriellen Neo-Feudalismus Einhalt zu
gebieten, ist gegenwärtig die Voraussetzung zur Rettung der Zivilisation. Die einzig
wirksame Methode zur Rettung der Zivilisation aber ist die Überwindung des
allmächtigen Einheitsstaates. Jeder auch nur halbwegs wache Zeitgenosse hat
inzwischen begriffen, daß wir es bei diesem Einheitsstaat mit einer Pseudo-
Demokratie, die in Wirklichkeit eine Parteien-Diktatur ist, zu tun haben. Doch was
tun? Viele Menschen einer kritischen Bürgerbewegung wollen nun voll durchstarten,
um ihre Rechtsauffassungen, ihre Ideale und Lösungsansätze gestaltend in die
Gesellschaft einzubringen. Tun sie dies im Einheitsstaat, sind all ihre Bemühungen
vergebens. Sie verschwinden im System. Eine Dekoration der Pseudo-Demokratie,
verhöhnt vom Bundeskanzler selbst (Freiheit ist, wenn man sagen darf, daß man
nicht alles sagen darf ). Doch sind allen die Wirkprinzipien der Sozialen
Dreigliederung bekannt? Wo ist wie zu handeln? Wo ist was zu unterlassen? Hier soll
zunächst eine Übersicht gegeben werden, welche Qualitäten welchen Bereichen
zugeordnet werden können, damit die Dreigliederung als Ideal überschaubar und
plastisch wird. In dieser Beschreibung soll daher vom Menschen ausgegangen
werden. Er  i s t  die Dreigliederung.

Es ist immer gerade soviel Dreigliederung realisiert,
wie Menschen sie verstehen und wollen.

Rudolf Steiner hat erstmals die in der französischen Revolution ausgesprochenen
Menschheitsforderungen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, in einen Bezug zum
Sozialen Organismus gebracht und somit eine zukunftsfähige Sozialwissenschaft
begründet. Eine Sozialwissenschaft, die auf den Menschen aufbaut, ihn in seiner
wesenhaften Gesamtheit abbildet und berücksichtigt.

Freiheit im Geistesleben                                                                         Wahrheit
(Kultur, Bildung, Kunst, Initiative, Fähigkeiten, Selbstbestimmung)

Das höchste Gut des  I n d i v i d u u m s  ist die Freiheit.
Ihre Bezugsgröße ist die der Verantwortung.
Ohne diese ist die Freiheit Willkür.
Das freie, schöpferische Denken ist zunächst eine wertfreie Qualität.

Gleichheit im Rechtsleben                                                                    Schönheit
(Gesetze, Staatsverträge, Arbeitsverträge, Abstimmungen, Demokratie)

Das höchste Gut einer  G e s e l l s c h a f t  ist die ethisch-
moralische Instanz. Ihre Qualität ist maßgebend für die aus
ihr fließenden, dem Menschen gemäße Gesetze.
Die Freiheit ist ihr vorgelagert. Die Brüderlichkeit ist ihr nachgelagert als
sich vollziehende Folgerichtigkeit des Vorangegangenen.

Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben                                                   Güte(r)
(Warenproduktion, Zirkulation, Konsum)

Das höchste Gut einer  G e m e i n s c h a f t  des Wirtschaftslebens
ist die bedarfsorientierte Vernunft der gegenseitigen Fürsorge
oder, einfacher ausgedrückt, ihre Liebefähigkeit.
Die in der Wirtschaft vollzogene (oder nicht vollzogene) Qualität der
Brüderlichkeit ist das Ergebnis der Qualität der beiden anderen Gebiete.

Ethischer Individualismus                                                                 Denken

Daß die Freiheit zum Geistesleben (Kultur, Fähigkeitsebene) gehört, ist wohl am
Einfachsten zuzuordnen. Sie, die Freiheit, wird umso größer, je mehr sich das
Denken des Individuums der Wahrheit nähert (Befreiung vom Irrtum). Die hierbei
gewonnenen Erkenntnisse (Geist) werden nun in die anderen beiden Bereiche
eingebracht.

Ethischer Kollektivismus                                                                 Fühlen

Im Rechtsleben, von vielen auch als der Herz-Region zugehörig empfunden, werden
die Erkenntnisse, die unter dem Gleichheitsprinzip Rechtscharakter haben und die
das Miteinander der Menschen als Gleiche unter Gleichen betreffen, von der
individuell-ethisch-seelischen Instanz des Menschen zur Gesetzesform gebracht.
Das demokratische Prinzip – in welchem es sich ausschließlich um Rechtsfragen
handelt (!)* – führt hier zu einer Abgabe der (individuellen) Freiheit zur Beurteilung
von Allen. Die Rechtsebene (und nur diese!) ist auch diejenige, die das
Aufgabengebiet des Rechts- oder politischen Staates vollumfänglich beschreibt. Er
hat somit aus sich auszusondern** das Geistesleben zur freien Selbstverwaltung, wie
auch das bedarfsorientierte, assoziative Wirtschaftsleben, welches ebenso frei sein
muß, um durch die in ihm liegenden Gesetzmäßigkeiten für die Bedarfsdeckung des
Sozialen Organismus (also auch des Geistes- und Rechtslebens!) sorgen zu können.
*
Nicht zu verwechseln mit Vereinbarungen. Diese können ebenso im Geistesleben
wie im Wirtschaftsleben getroffen werden. Verträge gehören ins Wirtschaftsleben.
Einzige Ausnahme: Das Arbeitsrecht. Damit verwirklicht Rudolf Steiner die
Trennung von Arbeit und Einkommen.
**
Die Wenigsten erkennen heute schon, daß sich der Staat damit selbst ebenfalls befreit
– einerseits von der Überforderung, andererseits von der Versuchung – weil er erst
dann unbeeinflusst und unbeeinträchtigt den ihm obliegenden Aufgaben
– im wahrsten Wortsinn – gerecht werden kann. Die Dreigliederung ist somit
der einzige Schlüssel zu einer wahren, wirklichkeitsgemäßen Gewaltenteilung.

Ethischer Funktionalismus                                                              Wollen

Im bedarfsorientierten brüderlichen Wirtschaftsleben (Leib) vereinen sich nun
vernunftbedingt die geistigen (Ideen, Fähigkeiten, Organisation) mit den ethisch-
moralischen Qualitäten (gegenseitige Fürsorge, Umsicht), um dort in assoziativer
Weise mit Vertretern der Produktion, des Handels, der Konsumenten, eine optimale
Produktionsweise und Umverteilung der Bedarfswaren und Dienstleistungen zu
gewährleisten. Die zu ermittelnden Preise müssen alle Kosten sowie alle Einkommen
des gesamten Sozialen Organismus berücksichtigen.
In der Gesamtheit der arbeitsteilig zusammenarbeitenden Menschen (Gesellschaft)
wirkt sich die individuelle Fähigkeit des Einzelnen befruchtend auf das zu
Erreichende aus. Zur Erfüllung des Zieles der Bedarfsdeckung kommt hier
jedoch das Kollektiv-Urteil der Assoziationen zum Tragen.

Bewußtseins – Iche

Je einsichtsvoller die Menschengemeinschaft wird, desto besser wird sie
handeln können im Sinne der Dreigliederung des Sozialen Organismus.
Dreigliederung ist Machtbegrenzung und zugleich Ermächtigung/Ermöglichung
von Fähigkeiten. Das denkerische Er-üben der Dreigliederungs-Wirkprinzipien, das
Überwinden des Urteilens aus dem alten Einheitsstaat heraus wird die alten Übel
entlarven und neue, lebensvolle Möglichkeiten hervorbringen. Die füreinander
arbeitenden Menschen stehen im Mittelpunkt.

Die zentralen Forderungen der Sozialen Dreigliederung sind:
Trennung der drei Bereiche des sozialen Organismus in drei autonome, ihrem
Wesensgehalt entsprechende, selbstverwaltete Gebiete, die erst durch diese
Trennung der Aufgaben gesundend miteinander in Beziehung treten können.

Das heißt im Geistesleben:
Befreiung des Schul- und Bildungswesens aus dem Staatsmonopol.
Keine Beeinflussung durch das Staats- oder Wirtschaftsleben.
Freiheit des Individuums.

Im Rechtsleben:
Dies ist das eigentliche und ausschließliche Gebiet des Rechts- oder
politischen Staates. Staatsverträge. Keine Beeinflussung des Geisteslebens
oder Betätigung im Wirtschaftsleben.
D i e s  i s t   n i c h t   d a s  G e b i e t  d e r  G e l d s c h ö p f u n g.

Im Wirtschaftsleben:
Verträge des Wirtschaftens.
Trennung von Arbeit und Einkommen. Arbeitskraft ist keine Ware!
Umwandlung der kapitalistischen Konkurrenz-„wirtschaft“ in eine
assoziative Bedarfswirtschaft. Einsichtsvoll füreinander arbeiten.
„Assoziationen“ sind Ausschüsse mit Vertretungen aus sämtlichen sozialen
Bereichen, also Produzenten, Händler und Konsumenten, die durch Darlegung
der Notwendigkeiten den jeweiligen (wirklichen) Preis der Waren und
Dienstleistungen ermitteln. Grund- und Boden ist keine Ware!
Daher: Umwandlung in Verantwortungseigentum.

Befreiung des Geldwesens.
Dreigliederung des Geldes.
Geld ist keine Ware.
Keine Abkoppelung des Geldes vom Warenwert.

Die Soziale Plastik zu gestalten, so wie Joseph Beuys die Dreigliederung als Bild
auffasst, ist somit als Aufforderung an jeden Menschen gemeint, an sich selbst
dasjenige zu veredeln, zu vervollkommnen, was noch nicht schön, wahr und gut ist.
Dieses sich-selbst-veredeln als soziales Wesen trägt dann zur Vervollkommnung der
Sozialen Plastik im Ganzen bei. Das ist das Geheimnis dessen, was Beuys meint,
wenn er sagt:„Jeder Mensch ist ein Künstler.“

Das Ich im Bewußtsein seiner gesellschaftlichen Aufgabe

Über die Belange des Geistes- und Wirtschaftslebens hat das Rechtsleben im Sinne
des Demokratiewesens nicht zu befinden. WOHL ABER DER MENSCH! Er ist es,
der in allen drei Bereichen als Fähigkeits- wie als Bedarfswesen entscheidend und
gestaltend drinnen steht.  E r  ist das verbindende Element, während die drei
Bereiche ihrem Wesen gemäß getrennt sein müssen. Hier schließt sich der Kreis.
Wer nicht schädigend für die Dreigliederung wirken will, muß sich zum Verständnis
ihrer Wirkprinzipien durchgerungen haben. Wenn ich den Einheitsstaat überwinden
will, kann ich ihn nicht mitnehmen. Das genau tue ich aber, wenn ich alle drei
Bereiche durchdemokratisieren will (ein selbst in weiten Dreigliederungskreisen
grassierender Irrtum).
Das Erkraftende der Dreigliederung liegt ja gerade darin, daß das demokratische
Element nur auf der Rechtsebene sich ausleben darf und muß. Deshalb hat Rudolf
Steiner ja hier das Gleichheitsprinzip zugeordnet. Im Geistesleben zählt das (in
Freiheit gewonnene) Individualurteil, im Wirtschaftsleben das Kollektivurteil (der
gemeinsam ermittelte Bedarf, das Brüderlichkeitsprinzip). Hier wird anschaulich, daß
es sehr wohl der Mensch ist, der alles entscheidet. Die Frage ist nur, wo er das tut.

Wir alle haben Ideen, Fähigkeiten und – als Konsumenten – auch Bedarf. Somit
stehen wir als Mensch – zumindest abwechselnd oder auch parallel – in allen
drei Bereichen entscheidend drinnen. So sind wir in den Assoziationen des
Wirtschaftslebens z. Bsp. als Produzenten, Geistesarbeiter, oder als
Konsumenten (!-dies wird viel zu wenig beachtet), den Bedarf ermittelnd
oder vorbringend, gestaltend beteiligt. Hier werden die durch ihre Fähigkeiten
geeignetsten Delegierten das für die Gemeinschaft Bestmögliche veranlassen. Die
aus der individuellen Freiheit hervorgebrachte Selbstverpflichtung zur sozialen
Initiative ist entscheidend für die Qualität des gesellschaftlichen Miteinanders und
deren Einrichtungen.
Gryf Bailer, 19. November 2023